Inverkehrbringen und Bereitstellen von Bauprodukten

Die Bauprodukteerlasse des Bundes - also das Bauproduktegesetz (BauPG) und die Bauprodukteverordnung (BauPV) - übernehmen in der Schweiz die europäische Gesetzgebung für Bauprodukte. In Zentrum des übernommenen Rechts steht dabei die europäische Bauprodukteverordnung (Verordnung (EU) Nr. 305/2011, Construction Products Regulation, CPR).

Das BauPG regelt das Inverkehrbringen aller Bauprodukte und ihre Bereitstellung auf dem schweizerischen Markt, unabhängig davon, ob ein Bauprodukt von einer harmonisierten Norm (hEN) erfasst wird oder einer Europäischen Technischen Bewertung (ETB) entspricht oder nicht. Zum Inverkehrbringen gehört auch der Begriff der «Bereitstellung auf dem Markt». Das Bereitstellen ist jede Abgabe eines Bauprodukts zum Vertrieb oder zur Verwendung auf dem Markt im Rahmen einer Geschäftstätigkeit, während das Inverkehrbringen gleichbedeutend ist mit dem erstmaligen Bereitstellen des Bauprodukts auf dem Markt. An das Inverkehrbringen und an die Bereitstellung auf dem Markt können unterschiedliche Pflichten der Wirtschaftsakteurinnen geknüpft sein.

Ein Bauprodukt darf in der Schweiz in Verkehr gebracht oder auf dem Markt bereitgestellt werden, wenn es dem allgemeinen Sicherheitsgebot entspricht (Art. 4 BauPG) und wenn

a) die Herstellerin für das Produkt eine Leistungserklärung erstellt hat, für den Fall, dass das Produkt entweder von einer hEN erfasst ist oder für das Produkt eine ETB ausgestellt worden ist (sog. „harmonisierter Bereich") und keine Ausnahmeregelung greift, oder

b) in den übrigen Fällen („nicht-harmonisierter Bereich"), allfällige weitere Voraussetzungen für das Inverkehrbringen nach anderen Bundeserlassen erfüllt sind.

Ausserdem müssen in allen Fällen alle übrigen anwendbaren Voraussetzungen des BauPG erfüllt sein. Wird beispielsweise ein Schwellenwert für eine Produktleistung durch die Bezeichnung eines europäischen delegierten Rechtsaktes in das schweizerische Bauprodukterecht übernommen, so ist die Einhaltung dieses Schwellenwerts ebenfalls eine Voraussetzung für das Inverkehrbringen nach BauPG.

Schliesslich gilt es zu beachten, dass manche Bauprodukte nicht ausschliesslich Bauprodukte sind und allenfalls zusätzlich anderen Sektorvorschriften entsprechen müssen, um in Verkehr gebracht oder auf dem Markt bereitgestellt werden zu dürfen. Ein Beispiel: Eine motorgetriebene Schiebetür wird als Bauprodukt unter dem Regime des BauPG in Verkehr gebracht oder auf dem Schweizer Markt bereitgestellt. Soweit die Funktion dieser motorisierten Schiebetüre als in Verkehr zu bringende Maschine betroffen ist, sind ausserdem die Maschinenverordnung (SR 819.14) und das Produktesicherheitsgesetz (SR 930.11) sowie allenfalls weitere Erlasse für das Inverkehrbringen bzw. die Bereitstellung auf dem Schweizer Markt anzuwenden.

Zu unterscheiden ist das Inverkehrbringen und Bereitstellen auf dem Markt auf der einen Seite und das Verwenden, die Anwendung, die Inbetriebnahme und die Installation eines Bauproduktes auf der anderen Seite. Die Bauproduktegesetzgebung regelt grundsätzlich nicht das Verwenden, die Anwendung, die Inbetriebnahme und die Installation von Bauprodukten.

Harmonisierter Bereich

Unter dem „harmonisierten Bereich" ist in der Regel zu verstehen, dass ein Bauprodukt von einer harmonisierten Norm (hEN) erfasst ist. Da unter dem neuen BauPG regelmässig nicht die Produktanforderungen, sondern die Methoden und Verfahren zur Bewertung und Überprüfung der Produktleistungen harmonisiert werden, werden in der hEN die harmonisierten Methoden und Verfahren festgelegt, deren korrekte Anwendung vergleichbare Produktleistungen ergeben. Ebenfalls zum „harmonisierten Bereich" gehören Bauprodukte, für die eine Europäische Technische Bewertung (ETB) ausgestellt worden ist.

Alle Bauprodukte unterstehen den Regelungen des BauPG, allerdings in unterschiedlicher „Regelungstiefe", je nachdem, ob sie dem „harmonisierten Bereich" angehören oder nicht.

Für das Inverkehrbringen und die Bereitstellung von Bauprodukten auf dem Markt gibt es unterschiedliche Voraussetzungen, je nachdem, ob ein Produkt dem sog. „harmonisierten Bereich" angehört oder nicht. Für Bauprodukte im „harmonisierten Bereich" muss die Herstellerin in der Regel eine Leistungserklärung erstellen (Art. 5 Abs. 1 BauPG). Ausserdem gibt es einen unterschiedlichen Massstab für die Beurteilung der Produktesicherheit, wenn Produkte dem „harmonisierten Bereich" angehören (Art. 4 Abs. 2 BauPG).

Auch haben die Wirtschaftsakteure umfangreichere Pflichten, wenn ein Bauprodukt dem „harmonisierten Bereich" angehört. So müssen beispielsweise (erforderliche) Sicherheitsinformationen oder Gebrauchs- und Bedienungsanleitungen jedem Bauprodukt beigefügt werden, also auch solchen, die dem „nicht-harmonisierten Bereich" angehören (Art. 10 Abs. 8 BauPV). Dagegen müssen Pflichten im Zusammenhang mit der Leistungserklärung nur für Produkte erfüllt werden, die eine Leistungserklärung erfordern, also für Produkte des „harmonisierten Bereichs".

Nicht harmonisierter Bereich

Unter dem „nicht-harmonisierten Bereich" ist zu verstehen, dass ein Bauprodukt von keiner harmonisierten Norm (hEN) erfasst ist und dass für das Produkt keine Europäische Technische Bewertung (ETB) erstellt worden ist. Da die Beantragung einer ETB nicht verpflichtend ist, kann die Herstellerin selber bestimmen, ob sie eine ETB erstellen lassen will (wo diese erstellt werden kann) und dann dazu verpflichtet ist, eine Leistungserklärung für das Produkt zu erstellen.

Auch Bauprodukte des „nicht-harmonisierten Bereichs" unterstehen den Regelungen des BauPG, allerdings in einer geringeren „Regelungstiefe". Es kann und darf keine Leistungserklärung für Produkte des „nicht-harmonisierten Bereichs" erstellt werden. Ergänzend gelten für das Inverkehrbringen und die Bereitstellung solcher Bauprodukte allenfalls zusätzlich Bestimmungen anderer Bundeserlasse (Art. 1 Abs. 3 Bst. C BauPG). Beispielsweise bleiben die Bestimmungen der Luftreinhalte-Verordnung (LRV, SR 814.318.142.1) auch weiterhin als Voraussetzung für das Inverkehrbringen von Raumerwärmungsanlagen anwendbar, die von keiner hEN erfasst sind und für die keine ETB erstellt worden ist.

Massstab für die Beurteilung der Produktesicherheit von Bauprodukten, die dem „nicht-harmonisierten Bereich" angehören, ist die Sicherheit, die von den Verwenderinnen und Verwendern vernünftigerweise erwartet werden darf (Art. 4 Abs. 2 Bst. B BauPG). Die Herstellerin kann in diesem Fall freiwillig eine Herstellererklärung erstellen. Für die Erstellung der Herstellererklärung kann sich die Herstellerin dafür auf eine technische Norm stützen, falls eine solche Norm bezeichnet worden ist (Art. 4 Abs. 3 und Art. 12 Abs. 2 BauPG).

Produktsicherheit

Wie ist das Verhältnis zwischen Bauproduktegesetzgebung und Produktesicherheitsgesetz ?
Die Produktesicherheit ist unter der neuen Bauproduktegesetzgebung spezialgesetzlich und abschliessend geregelt. Das Produktesicherheitsgesetz (PrSG, SR 930.11) ist nicht subsidiär anwendbar auf Bauprodukte. Anwendbar bleibt das PrSG dagegen für Produkte, die zwar ein Bauprodukt sein können, die aber z.B. wegen einer bestimmten Funktion zusätzlich in den Anwendungsbereich eines anderen Sektorerlasses fallen. So beispielsweise eine motorgetriebene Schiebetür, die zugleich ein Bauprodukt und auch eine Maschine sein kann. Soweit die Funktion dieser motorisierten Schiebetüre als in Verkehr zu bringende Maschine betroffen ist, bleibt das PrSG anwendbar. In gleicher Weise anwendbar bleibt das PrSG auch für Bestandteile oder Komponenten eines Produkts, das ein Bauprodukt sein kann, wenn diese Bestandteile oder Komponenten einer Sektorgesetzgebung unterliegen, für die das PrSG zur Anwendung kommt (z.B. für den Motor von Sonnenstoren (Sonnenstoren = Bauprodukt, Motor unterliegt u.a. der Sektorgesetzgebung für Maschinen), die mit einem Elektromotor betrieben werden).

Was bedeutet Produktesicherheit bei Bauprodukten ?
Auch für Bauprodukte gilt das allgemeine Sicherheitsgebot (Art. 4 BauPG). Das bedeutet, dass Bauprodukte für die Verwenderinnen und Verwender sowie Dritte keine Risiken oder nur die der Verwendung entsprechenden minimalen Risiken beim Inverkehrbringen oder der Bereitstellung auf dem Markt aufweisen dürfen.

Bauprodukte müssen ein hohes Schutzniveau für die Gesundheit und Sicherheit der Verwenderinnen und Verwender und dritter Personen gewährleisten. Sie entsprechen dann dem allgemeinen Sicherheitsgebot, wenn die Herstellerin die Risiken vermeidet oder minimiert, die entweder durch dem Produkt innewohnende Aspekte oder durch äusserliche Faktoren entstehen. Dem Produkt innewohnende Aspekte sind beispielsweise die Konzeption, Konstruktion oder der von der Herstellerin beabsichtigte Verwendungszweck. Äussere Faktoren sind solche, die dafür sorgen, dass ein Produkt als sicher oder mit einem Risiko behaftet wahrgenommen wird. Hierfür sind die massgeblichen Sicherheitsinformationen und Gebrauchs- und Bedienungsanleitungen dem Produkt mitzugeben. Welcher Massstab ist für die Beurteilung der Produktesicherheit anzuwenden?

Für den «harmonisierten Bereich» sollen Bauprodukte dem Massstab der für sie angewendeten harmonisierten Normen (hEN) oder der für sie erstellten Europäischen Technischen Bewertung (ETB) entsprechen. Dasselbe gilt für Rechtsakte der EU, die Schwellenwerte festlegen und nach den Bestimmungen des BauPG durch Bezeichnung im schweizerischen Recht anwendbar gemacht werden. Dabei sind Bauprodukte des «harmonisierten Bereichs» als in Übereinstimmung mit dem allgemeinen Sicherheitsgebot anzusehen, wenn die Herstellerin die dem Produkt innewohnenden und die äusseren Faktoren bei der Erstellung ihrer Leistungserklärung und bei den dem Produkt mitzugebenden Sicherheitsinformationen berücksichtigt. Soweit die hEN, ETB oder bezeichneten Rechtsakte hierfür Handlungsanleitungen geben, können sie auch Aussagen enthalten zu:

den Schwellenwerten, die einzuhalten und in die Leistungserklärung aufzunehmen sind; und
den Sicherheitsinformationen und Gebrauchsanweisungen (z.B. Einbauverfahren auf der Baustelle oder Anleitungen zum bestimmungsgemässen Gebrauch bei Fenstern nach der EN 14351-1), die dem Produkt mitzugeben sind.

Für den «nicht-harmonisierten Bereich» sollen Bauprodukte so sicher sein, wie es von den Verwenderinnen und Verwendern vernünftigerweise erwartet werden kann. Dies kann die Herstellerin im Rahmen einer freiwilligen Herstellererklärung nachweisen. Als Massstab für die Beurteilung der Produktesicherheit eines Bauprodukts können in diesem Fall herangezogen werden:

(a) Gemäss Art. 12 Abs. 2 BauPG bezeichnete, international nicht harmonisierte oder nationale Normen, oder, falls solche Normen nicht vorliegen, beispielsweise

(b) Vorschriften der Verordnung über die Verhütung von Unfällen und Berufskrankheiten (VUV, SR 832.30), die sinngemäss anzuwenden sind.

Wesentliche Merkmale

Wesentliche Merkmale von Bauprodukten sind aus den Grundanforderungen an Bauwerke abgeleitete Eigenschaften von Bauprodukten, also z.B. das wesentliche Merkmal des Feuerwiderstandes einer Brandschutztür (= Produkt), abgeleitet aus der Grundanforderung des Brandschutzes (= Anforderung an das Bauwerk).

Die wesentlichen Merkmale von Bauprodukten können nicht losgelöst von den Anforderungen, die durch Bauwerke zu erfüllen sind, definiert werden. Bauprodukte müssen so beschaffen sein, dass die Bauwerke diesen Grundanforderungen genügen können. Die (möglichen) Produkteigenschaften müssen sich also an vorgegebenen Bauwerksanforderungen orientieren und diesen zweckgerichtet dienen. Die 7 Grundanforderungen an Bauwerke werden in Anhang 1 der BauPV konkretisiert.

Ein Beispiel: Ein wesentliches Merkmal für das Bauprodukt „Zement" ist die „Druckfestigkeit" des Zements. Das wesentliche Merkmal (Eigenschaft) „Druckfestigkeit" ist abgeleitet aus der Grundanforderung für Bauwerke „Mechanische Festigkeit und Standsicherheit".

Fachbereich Bauprodukte und Europäische Angelegenheiten – FABEA