Moderne verwurzelt in der Tradition

Die Residenz des Schweizer Botschafters im Königreich Belgien in Brüssel wurde renoviert. Ausgehend von der Erhaltung der Goldledertapeten im Speisesaal, die aus dem 18. Jahrhundert stammen, wurden bei der Sanierung die Besonderheiten dieses historischen Gebäudes berücksichtigt. Die Privaträume des Botschafters wurden wohnlicher gestaltet und die Arbeitsräume mit mehr Komfort ausgestattet.

Hauptfassade an der Rue Ducale

Goldledertapeten erstrahlen im neuen Glanz

Die im Rahmen der Erhaltung von Bauten im Ausland durch die Schweizer Eidgenossenschaft erfolgte Renovation der Botschafterresidenz an der Rue Ducale ist abgeschlossen. Das im denkmalgeschützten Bereich des «Quartier du Palais Royal» befindliche neoklassizistische Gebäude wartet mit einem üppigen Dekor auf, in dem sich verschiedene Materialien und Texturen sorgfältig inszeniert vermischen. Zwischen geschwungenen Linien und geometrischen Elementen stechen dabei als Herzstück die im Speisesaal befindlichen Goldledertapeten aus dem 18. Jahrhundert hervor, welche schwere Schäden aufwiesen. Die Erhaltung dieser Leder-Reliefs stellte den Ausgangspunkt für weiterreichende Überlegungen zur Sanierung des Gesamtgebäudes dar. Durch die Sanierung konnten nicht nur Wärmeverluste begrenzt werden, es wurden unter Berücksichtigung der Besonderheiten dieses historischen Gebäudes auch die Privaträume des Botschafters wohnlicher gestaltet und die Arbeitsräume mit mehr Komfort ausgestattet.

Durch Temperaturschwankungen bedingte Schäden bei Restauration behoben

Das auch als Korduanleder bezeichnete Goldleder geht auf eine jahrhundertealte, aus dem Nahen Osten und Nordafrika stammende Lederverarbeitungstechnik zurück, die die Mauren bei der Eroberung Spaniens Ende des ersten Jahrtausends nach Cordoba brachten. Von lokalen Handwerkern perfektioniert, verbreitete sich die Technik in der Folge in ganz Europa, wo verschiedene Manufakturen sie bis ins 18. Jahrhundert hinein anwandten. Die mit kräftigen Prägungen versehenen, mit Ornamenten bemalten und vergoldeten Ledertapeten zierten fortan die Innenräume der schönsten Bauten.

Die in Kehlleisten eingerahmten dreizehn Goldledertafeln schaffen in der Residenz des Schweizer Botschafters ein üppiges florales Dekor, in dem sich Paradiesvögel, Schmetterlinge und Insekten tummeln. Trotz der bereits zweifachen Restauration in den Jahren 1998 und 2005 wies das Goldleder 2015 erneut stärkere Beschädigungen auf, die auf Temperaturschwankungen sowie auf die Schwierigkeit zurückzuführen waren, eine konstante Luftfeuchtigkeit im Raum zu gewährleisten. Eine erneute Restauration war unabdingbar, zuallererst galt es aber, stabile Umgebungsbedingungen zu schaffen. So wurde in Verbindung mit einer mechanischen Belüftung des gesamten Gebäudes eine Sonde zur Gewährleistung einer konstanten Luftfeuchtigkeit installiert.

Zehn der dreizehn Ledertapeten wurden von den Wänden und aus ihren Rahmen genommen und in eine Restaurationswerkstatt gebracht. Ähnlich einer hochkomplexen Operation begann eine aus genau abgesteckten Etappen bestehende sorgfältige Restauration. Vom Holzuntergrund abgelöst, liess sich das Leder an den beschädigten Stellen reparieren. Es wurden Lederstücke zugeschnitten, an den Enden verjüngt, eingefärbt und hinter den Rissen angebracht. Um die Tapeten zu verstärken, wurden zwei Schichten in einen Klebstoff auf Stärkebasis getränktes Japanpapier auf das Leder aufgebracht. Nach Abschluss aller notwendigen Nacharbeiten wurden die Tapeten wieder auf den Holzuntergrund gespannt, um erneut den Speisesaal der Residenz zu zieren.

So konnten durch die Restauration mehrere der heutzutage seltenen Goldleder-Prachtstücke, die nun unter speziell angepassten Bedingungen bei konstanter Temperatur gut geschützt werden, erhalten bleiben.

Goldleder vor der Restauration

Die drei Kernelemente der Renovationsarbeiten von 2019 bis 2021

Bedingt durch die Restauration der Ledertafeln drängte sich 50 Jahre nach dessen Erwerb und bisher nur punktuell erfolgten Renovationen eine umfassendere Sanierung des Gebäudes auf. Diese umfasste drei verschiedene, aber eng miteinander verwobene Elemente: die technische Sanierung einschliesslich einer umfassenden energetischen Optimierung, eine mit der Verbesserung der Wohnlichkeit der Residenz verbundene Teilrenovation sowie die Neugestaltung der Empfangsräume. Inspiriert durch die Goldledertapeten, bildete das Thema des Gartens das Leitmotiv bei der Renovation der Innenräume, gestützt durch die verbundene Geometrie der dekorativen Elemente und Materialien sowie der Farben, die diese prägen.

Um die Arbeiten an der zur Strasse ausgerichteten geschützten Fassade so gering wie möglich zu halten, wurden hauptsächlich der Estrich und die rückseitige Fassade gedämmt. So konnte das Dachvolumen intakt bleiben, während die umfassenden Fassadenarbeiten auf der Rückseite die Energieeffizienz der Residenz wesentlich verbessert und gleichzeitig dazu beigetragen haben, den Anblick der über die Jahre immer wieder veränderten Fassade zu vereinheitlichen. Mit ihren zahlreichen Öffnungen und Fluchtbalkonen bietet sie den Bewohnerinnen und Bewohnern einen ganz neuen Komfort und gewährleistet die gemäss Sicherheitsvorschriften notwendigen Fluchtwege. Um die Energieeffizienz zu optimieren, wurde eine kontrollierte Belüftung in Kombination mit einer Sonde eingebaut, die eine für den Erhalt der Goldledertapeten angemessene Luftfeuchtigkeit sicherstellt.

Mit zwei im Untergeschoss und im Estrich befindlichen Zentralen garantiert das mechanische Belüftungssystem einen stetigen Luftaustausch im gesamten Gebäude, der durch kleine, dezent in die Fussböden oder Decken aller Zimmer integrierte Lüftungsschlitze möglich wird. Hinzu kommen eine neue Heizungsanlage, die statt Heizöl Stadtgas verbraucht, sowie Massnahmen zur Einhaltung der Sicherheits- und insbesondere Brandschutzvorschriften. So bietet das Gebäude fortan nicht nur den aus «lebendigem Material» bestehenden Goldledertapeten, sondern auch den Personen, die es bewohnen oder besuchen, ideale Bedingungen. Durch die Sanierung konnte ausserdem der Verbrauch fossiler Energie um fast 60 Prozent gesenkt werden.

Der Garten als Leitmotiv der neuen Innenraumgestaltung

Mit der Aufwertung der Empfangsräume wurde dem Wunsch des Bundes nachgekommen, mit veraltetem, uneinheitlichem Mobiliar ausgestattete Liegenschaften zu modernisieren und einheitlich schlicht einzurichten sowie gleichzeitig maximale Flexibilität zu gewährleisten. Inspiriert vom Roman Adam et Ève von Charles-Ferdinand Ramuz, in dem der Garten Eden zur Hauptperson wird, verleiht das in den Empfangsräumen geschaffene Umfeld dem Ort eine neue Identität. Unter Berücksichtigung des zugleich geschwungenen und geradlinigen Dekors und des durch die Goldledertapeten geschaffenen floralen Umfelds wurde das neue Mobiliar hinsichtlich Textur und Farben mit grosser Sorgfalt und angelehnt an die ursprüngliche Einrichtung ausgewählt.

Zwar blieb der repräsentative Bereich mit seinen üppig dekorierten Gesellschaftsräumen erhalten, doch konnten durch den Einbau eines Lichtsimses sowie von Akustikplatten im Speisesaal, die in die bestehende Metallkassettendecke integriert wurden, zwei wesentliche Störelemente beseitigt werden: Der starke Halleffekt, der mit der Nutzung des Speisesaals einherging, wurde deutlich reduziert, und dank des neuen Beleuchtungssystems entsteht kein störender Schattenwurf mehr. Ausserdem wurde durch eine sorgfältige Auswahl der Farbtöne eine einheitliche Farbgestaltung erreicht. Während der starke Bezug zum Intérieur des jeweiligen Raumes erhalten blieb, verleihen die gewählten Farbtöne dem Inneren des Gebäudes dennoch ein sehr homogenes Bild.

Mit verschiedenen Stoffen und Materialien spielend, vereinen die Räume ausgewählte Möbelstücke junger Designer, wobei die Stühle des Speisesaals der von den Goldledertapeten inspirierten Farbgebung einen samtenen Touch geben. Oberhalb der Treppe bildet die vom Schweizer Unternehmen Christian Fischbacher kreierte Tapete Kotori einen modernen Gegenpol zum Leder. Wie das schlichte Mobiliar und das neue Lichtsystem setzt die nüchterne Farbgestaltung der Wände die originalen Dekor-Elemente nun noch besser in Szene. So wird dem wieder neu aufgenommenen Dialog zwischen Gebäudearchitektur und Innenraumgestaltung besondere Aufmerksamkeit gewidmet.

Die Gesamteinheit, als die sich die Residenz heute präsentiert, entsteht durch eine im Zuge der Goldlederrestauration erfolgte geschickte Verschmelzung verschiedener Faktoren wie der Modernisierung des zusammengewürfelten historischen Ensembles sowie der Energieoptimierung und einer ausgeklügelten Steuerung der Luftfeuchtigkeit. Damit bietet die Residenz dem Bund einen repräsentativen Bau, der Komfort und Wohnlichkeit vereint und gleichzeitig den Anforderungen des geschichtsträchtigen Gebäudes gerecht wird.

Letzte Änderung 18.08.2022

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